Alles über den Petit Basset Griffon Vendéen

Hundeweihnacht

ein Märchen

Daran, woher er eigendlich gekommen war, konnte sich niemand mehr erinnern. Nicht einmal Hurtig selbst.

Irgendwann war er da, der kleine Mischlingsrüde. Witzig sah er aus mit seinen riesigen Ohren. Das rechte Ohr war weiß und stand senkrecht nach oben. Das andere war schwarz, kippte nach vorne und verdeckte zur Hälfte das linke Auge. Das andere Auge war schwarz umrandet, fast wie ein Monokel, was Hurtig wie einen Piraten aussehen ließ. Sein weißes Fell war kurz und seidenweich.

Hurtig stromerte längere Zeit allein durch die Stadt. Das war sehr anstrengend, häufig mußte er mit knurrendem Magen in einer zugigen Ecke die Nacht verbringen. Um nicht länger allein zu sein, schloß er sich einer Gruppe von Berbern an. Sie lebten genau wie er auf der Straße und niemand wollte sie haben.

Diese duldeten ihn anfangs nicht, traten mit den Füßen nach ihm, oder bewarfen ihn mit leeren Dosen. Hurtig war das allerdings egal. Er lief ständig hinter ihnen her und wich geschickt den Mißhandlungen aus. Nach einiger Zeit hatten sie sich an diesen kleinen, frechen Hund gewöhnt, eigendlich gehörte er schon zu ihnen.

Fritz, einer von ihnen, der schon vor langer Zeit dem seßhaften Leben adieu gesagt hatte, bemerkte bald, wie pfiffig und intelligent der kleine Hund war. Wenn Fritz mit den anderen zusammensaß und mit ihnen das Wenige, was sie hatten, aßen, saß der kleine Hund ihm gegenüber, machte Männchen und grinste mit hochgezogenen Lefzen. Hielt man ihm etwas zu Essen hin, kam er wie ein geölter Blitz angesprungen und schnappte sich den Bissen.

So kam Hurtig auch zu seinem Namen, Fritz sagte jedesmal wenn Hurtig so angesaust kam, er habe noch nie einen Hund gesehen, der so hurtig angesprungen kommt um sein Futter zu holen.

Also rief er bald, wenn der kleine Hund um Fressen bettelte: “ Hurtig komm!“ Und so bekam Hurtig nicht nur seinen Namen, sondern auch einen Herrn.

Die Beiden verstanden sich gut. Fritz brachte Hurtig viele Kunststücke bei. Männchen machen und dabei grinsen konnte Hurtig ja von allein, aber irgendwann machte er es, wenn Fritz ihn darum bat. Hurtig lernte sich auf den Hinterpfoten im Kreis zu drehen, Pfötchen zu geben, wie tot umzufallen und laut zu bellen, wenn Fritz es wünschte. Besonders witzg sah es aus, wenn Fritz sagte: „Hurtig, aufgepaßt!“

Da machte Hurtig Männchen und stellte das schwarze Kippohr auf. Weil aber doch nie etwas passierte, klappte er das Ohr dann langsam wieder nach vorn. Das sah zu drollig aus, und jeder der Hurtig dabei zusah, mußte lachen.

Fritz verdiente seinen Lebensunterhalt durch betteln, und Hurtig half ihm dabei. In der Fußgängerzone hatten die Beiden ihren Stammplatz. Hurtig durfte auf einer warmen Decke sitzen, die Fritz für ihn besorgt hatte, denn sein kleiner Freund sollte ja nicht auf dem kalten Boden liegen und frieren, was Fritz aus eigener Erfahrung zur Genüge kannte. Auf einem Schild konnte man lesen: „Wir haben Hunger und bitten um eine kleine Gabe.“

Wenn Menschen stehen blieben und ein Geldstück aus ihrem Portemonaie herauskramten, befahl Fritz: „Hurtig, aufgepaßt!“ Und Hurtig machte Männchen, stellte sein Kippohr auf, zog grinsend die Lefzen hoch, mußte bellen, Pfötchen geben, tot umfallen und sich im Kreis drehen. Hierzu spielte Fritz auf seiner kleinen Mundharmonika „Tanz Püppchen tanz, die Schuhe sind noch ganz.“ Manchmal blieben bis zu zehn Leute stehen um sich Hurtig`s Kunststückchen anzusehen. Alle hatten ein lächelndes Gesicht, applaudierten begeistert und gingen, nachdem sie Fritz ein Geldstück in den Hut geworfen hatten, mit frendlichen Gedanken ihrer Wege.

Nach kurzer Zeit waren Fritz und sein pfiffiger Hund stadtbekannt. Viele kamen einfach mal vorbei, streichelten Hurtig und steckten ihm Hundekuchen und andere Leckereien zu, wobei sie auch gerne ein paar Worte mit Fritz, der zu vielen Dingen des Lebens eine eigene Philosphie hatte, wechselten.

Eine alte, einsame Dame, die täglich die Zwei besuchte, schenkte Hurtig sogar ein wunderschönes rotes Halsband. Er sah phantastisch damit aus. So führten die Beiden ein für ihre Begriffe gutes und zufriedenes Leben.

Es vergingen viele Jahre. Im Sommer war es natürlich viel angenehmer als im Winter, wo es doch zeitweise sehr kalt und feucht war. Aber dann rückten sie eng zusammen und einer wärmte den anderen.

Eines morgens, Hurtig hatte wie immer, eng an Fritz gekuschelt, in der Bahnhofshalle im Schlafsack die Nacht verbracht, bermerkte Hurtig, daß mit Fritz etwas nicht simmte. Fritz atmete schwer und roch anders als sonst. Hurtig stupste Fritz mit der Nase an, leckte über sein Gesicht und normalerweise brummte Fritz dann: „Hurtig, laß das, ich will noch etwas schlafen!“ Doch diesmal reagierte Fritz überhaupt nicht, er wollte einfach nicht wach werden. Hurtig überfiel ein Gefühl der Panik. Er bellte laut und sprang aufgeregt um Fritz herum. Endlich wurden

Passanten aufmerksam. Einer von ihnen schüttelte Fritz am Arm, um ihn zu wecken. Als dies nicht gelang, rief er laut: „Schnell einen Krankenwagen. Ein Notfall! Ein Notfall!“

An alles, was danach geschah konnte Hurtig sich hinterher nicht mehr erinnern, so aufgeregt und verstört war er gewesen. Und jetzt war er allein. Fritz und all seine Sachen waren nicht mehr da, nur der alte Schlafsack war Hurtig geblieben. Auf diesem lag er dann Stunden um Stunden. Um ihn herum war geschäftiges Treiben, es war der 24. Dezember. Menschen hasteten mit Paketen und Tüten beladen durch die Bahnhofhalle. Keiner hatte einen Blick für Hurtig. Alle waren eilig bemüht nach Hause zu ihren Familien zu kommen. Langsam leerte sich die Halle. Als es draußen dunkelte war der Bahnhof wie ausgestorben.

Hurtig fühlte sich einsam und verzweifelt. Leise weinte er vor sich hin. Irgendwann stand er auf, wollte nicht länger warten. Er mußte etwas unternehmen und sein Herrchen suchen, außerdem hatte er Durst und großen Hunger. Traurig und unsicher trottelte er aus dem Bahnhof.

In der Nacht hatte es geschneit, es war bitter kalt geworden, auch jetzt noch fielen dicke Flocken vom Himmel. Hurtig lief duch den tiefen Schnee und suchte an allen bekannten Plätzen nach seinem Fritz. Aber nirgendwo fand er eine Spur von ihm. Er wollte und gab nicht auf. Stunden später, Hurtig war total erschöpft, tropfnaß und durchgefroren, lief er noch einmal zu ihrem Stammplatz, vielleicht war Fritz ja inzwischen zurückgekehrt. Aber auch hier, wieder nichts. Fritz Geruch in der Nase kauerte Hurtig sich in eine Ecke, zitternd vor Kälte weinte er leise vor sich hin.

Plötzlich hörte er ein ihm unbekanntes Geräusch. Hufgetrappel und das feine Klingeln vieler Glöckchen.Fast schon erfroren öffnete Hurtig seine verweinten Augen, klappte vor Aufregung sein schwarzes Ohr nach oben und guckte erstaunt in die Dunkelheit. Um die Ecke fuhr ein von Rentieren gezogener Schlitten. In diesem saß, eingehüllt in dicke Felldecken, der Weihnachtsmann. Neugierig sah der Weihnachtsmann auf den kleinen, putzigen Hund, der da einsam in der Ecke kauerte. Mit tiefer Stimme befahl er den Rentieren vor Hurig halt zu machen.

Die Rentiere folgten promt und brachten das goldene Gefährt zum Stehen. Hurtig wußte nichts damit anzufangen, schließlich hatte er so etwas noch nie gesehen und den Mann mit den roten Mütze und dem langen weißen Bart kannte er auch nicht. Jedenfalls sah er nicht so aus wie sein Fritz, roch auch nicht so, und schließlich hatten sie ja nie durch Betteln und seine Kunststücke solche glitzernden und goldenen Sachen bekommen, geschweige denn ein solches Fell, das ihn besser hätte wärmen können - denn er fror immer noch fürchterlich.
Jedenfalls stieg der ihm unbekannte, aber doch irgenwie sympatische Mann aus seinem Schlitten und kam auf ihn zu. „Ho, Ho, Ho, ja wen haben wir denn da? Was machst du denn bei der Kälte und so alleine hier draußen? Und warum weinst du so?

Da der Weihnachtsmann auf der ganzen Welt seine Geschenke verteilt, spricht er auch alle Sprachen.Er muß ja die Wunschzettel der Kinder, die ihm schreiben, lesen können. Und die Sprache der Tiere versteht er natürlich auch.

Schluchzend erzählt Hurtig dem Weihnachtsmann seine Geschichte und wie einsam und verloren er ist.

Nachdenklich hört der Weihnachtsmann Hurtig zu, dabei streicht er sich über seinen langen weißen Bart.

„Mm, mmm“ sagte er dann, was mache ich denn nur mit dir? Ach, weißt du was Hurtig, hierbleiben kannst du nicht, du würdest erfrieren. Komm, spring´ zu mir in den Schlitten. Ich muß noch ein paar Geschenke ausliefern und dann überlegen wir uns, wie es mit dir weitergehen soll.“ Mit einem riesigen Satz sprang Hurtig in den Schlitten und kuschelte sich beim Weihnachtsmann in die warmen Decken. „Da nimm, Du hast doch bestimmt Hunger, es ist noch eine Scheibe Brot mit Schinken von meinem Abendessen übriggeblieben. Das wird Deinen größten Hunger vertreiben.“

Dann ging es los. Hier mußte noch eine Eisenbahn, dort ein Fahrrad, und bei Müllers ein Walkman unter den Tannenbaum gelegt werden. Nun waren nur noch die Geschenke für die drei Kinder der Familie Schäfer im Schlitten übriggeblieben.

Die Schäfer´s wohnten ziemlich einsam in einem Vorort der großen Stadt. Der Weihnachtsmann liebte die Kinder dieser Familie besonders, weil Sie sehr artig waren. Der Wunschzettel, den sie ihm jedes Jahr schickten, war immer mit vielen Bildern schön und liebevoll bemalt.

Er hielt seinen Schlitten vor dem Haus an, stieg aus, nahm den Sack mit den Geschenken, die Rute konnte er im Schlitten lassen, denn es waren ja, wie schon bemerkt, sehr brave Kinder und stapfte durch den Schnee zur Haustür. Hier klingelte er dreimal wie in jedem Jahr. Doch anders als in all den anderen Jahren wurde die Tür nicht stürmisch aufgerissen. Nein, es dauerte eine Weile bis Marius, der älteste Sohn sie öffnete. Sein Gesicht war verweint, und traurig bat er den Weihnachtsmann ins Wohnzimmer. Hier saß die gesamte Familie. Die Eltern schauten sich traurig an und die Kinder weinen still vor sich hin.

„Holla“, sagte der Weihnachtsmann, „frohe Weihnacht! Was ist denn hier los? Es ist Heiliger Abend und alle Menschen sollen sich freuen und glücklich sein! Warum seit ihr denn so traurig?“

Marius zeigte auf den leeren Hundekorb und stockend erzählte er dem Weihnachtsmann: „Heute morgen, als wir aufgestanden sind - immer wieder mußte er sich die Tränen aus den Augen wischen - lag unsere alte Hundedame Molly ganz still in ihrem Körbchen. Ich habe sie gerufen und gelockt, doch sie wollte nicht wach werden. Mutti hat Molly dann vorsichtig geschüttelt, um sie zu wecken. Molly ist etwas schwerhörig, deshalb dachten wir sie hat uns nicht gehört. Doch Molly lebte nicht mehr. Sie war in der Nacht gestorben, und jetzt fehlt sie uns so sehr.“

Der Weihnachtsmann überlegte einen Moment, legte die Stirn in Falten und strich sich wieder über seinen weißen Bart. „Was hattet ihr euch eigendlich zu Weihnachten gewünscht?“

„Ach, sagten alle drei Kinder wie aus einem Mund, wir möchten nichts zu Weihnachten haben, wenn nur unsere Molly wieder lebendig würde.“ Traurig schüttelte der Weihnachtsmann seinen Kopf. „Da kann ich euch leider nicht helfen. Aber ich habe da eine Idee“, und ein verschmitztes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, „ich muß noch einmal zu meinem Schlitten hinaus gehen, hab´ da etwas vergessen. Einen kleinen Moment, gleich bin ich wieder da.“

Der Weihnachtsmann stapfte zu seinem Schlitten durch den Schnee, nahm die Decken hoch und sagte zu Hurtig: „Du, hör mal, Hurtig, ich denke ich kann Dir helfen. Magst du Kinder?“

Hurtig, der vor Erschöpfung eingeschlafen war, sah den Weihnachtsmann verwirrt und schlaftrunken an: „Natürlich mag ich Kinder! Warum fragst du?“

„Also,“ sagte der Weihnachtsmann, „laß Dich überraschen und komm mit, es wird Dir bestimmt gefallen. Momentchen noch, hier die Schleife mit dem Glöckchen will ich Dir noch umbinden! So, und nun laß uns gehen.“

Sie gingen zum Haus der Schäfers. Der Weihnachtsmann voraus, Hurtig folgte ihm etwas zaghaft. Der Weihnachtsmann öffnete die Tür und schupste Hurtig hinein. “Nur Mut, nun lauf schon, ich komme doch auch!“

Hurtig schlich etwas unsicher hinter dem Weihnachtsmann ins Wohnzimmer. Doch der munterte ihn auf. „Hurtig, aufgepaßt!“ Hurtig machte Männchen, grinste vor Verlegenheit und klappte das Ohr nach oben. Es war mucksmäuschen still im Zimmer. Alle starrten mit offenem Mund Hurtig und den Weihnachtsmann an.

Plötzlich rief Marius: „Seht nur, ist das nicht Hurtig, der kleine Hund vom Fritz aus der Stadt, der so viele Kunststücke machen kann? Wie kommst Du denn hier her? Hurtig war erstaunt: Woher kennt dieser Junge mich und meinen Fritz? Bestimmt ist er einer von denen, die uns etwas Geld in unseren alten Hut geworfen haben.

Auch der Weihnachtsmann war beeindruckt ,und zu Tränen gerührt erzählte er Hurtig`s Geschichte. Das mit Fritz, dem Hunger und Durst und der Sehnsucht nach Geborgenheit.

Für Marius war klar, Hurtig bleibt bei uns, den Schäfers. Er darf in Molly´s Hundekorb schlafen und ist das schönste Weihnachtsgeschenk, was er sich vorstellen konnte. Er ging zu Hurtig, nahm ihn in den Arm und streichelte ihn. „Hurtig, hättest Du Lust bei uns zu bleiben?! Mutti, Pappi, darf Hurtig bei uns bleiben, er hat doch niemanden mehr und würde draußen verhungern und erfrieren, bitte, bitte, sagt doch ja.“

Die Schäfers brauchten nicht lange zu überlegen, ob sie das unverhoffte Geschenk des Weihnachtsmannes annehmen sollten. Wer kann schon sechs bettelnden Kinderaugen wiederstehen. Hurtig sollte bei ihnen bleiben.

Erst jetzt bemerkten sie, daß der Weihnachtsmann heimlich und leise das Haus verlassen hatte. Sie wollten sich doch noch bei ihm für das schönste Weihnachtsgeschenk bedanken.

Aus der Ferne hörten sie nur noch das leise Klingeln der Schlittenglöckchen. Wenn man genau horchte, meinte man zu verstehen: Der Weihnachtsmann braucht keinen Dank! Die größte Freude ist es für ihn, Menschen und Tiere glücklich zu machen.

Heidi Winkelmann